Werkstatt - 16. November 2013

Mit einem lauten "Ha" und einer präzisen Bewegung bringen sich die Karatekas Elie und Leo in Stellung und konfrontieren urplötzlich das Publikum mit dem Werkstatt-Thema "Das Fremde und das Andere". Die schnellen aber grazilen Bewegungen, die Schreie, der Atem wirkten auf viele zunächst fremd, doch es entstand bald eine Faszination für die unbekannte Karate-Kunst. Elie Feller, mehrfacher Schweizer Meister in Karate, sprach nach der beeindruckenden Demonstration von seiner Liebe zum Kampfsport und dem Ausgleich, der ihm Karate zum Berufsleben bietet. In seiner Arbeit als Fachmann "Betreuung Kind" in einer Kinderkrippe ist Elie als Mann eher eine Ausnahme. Und auch sonst bewegt er sich in verschiedenen Welten.
Erfahrungen mit Anderem und Fremden sind auch der Pfarrerin Brigitte Amstutz nicht fremd. Als Heimseelsorgerin betreut sie chronisch kranke, behinderte, pflegebedürftige und süchtige Menschen. Sie nahm die Werkstattteilnehmenden mit auf einen Rundgang und liess sie eintauchen in eine Welt des Schweren, des Leidens, des Begrenzten aber mitunter auch des Lauten, Heiteren und Verschrobenen. Dabei näherte sich Brigitte Amstutz Begriffen wie "Anderem" und "Fremdem" aus ihrer eigenen Erfahrung an. "Das Andere hat eine Spannbreite und wird irgendwann zum Fremden." Mit zunehmender Lebenserfahrung werde vieles, was einst fremd war, vertrauter. Das Fremde sei nichts statisches. "Und im Rückblick bin ich selbst eine Andere", so Amstutz.
Der Sozialarbeiter Patrick Böni beschloss die Einfindung mit seinen Erfahrungen mit dem Anderen und Fremden als Sozialarbeiter in Durchgangszentren für Asylsuchende und in der Ausschaffungshaft. Er zeigte unterschiedliche Facetten des Fremden auf: belustigende Unterschiede, bereichernde Erfahrungen, aber auch die Tatsache, dass das Fremde an die Grenze des Erträglichen stossen kann, gerade wenn es um Kriegserfahrungen geht. "Das Fremde kann auch ein Schutz sein." Dennoch übe das Fremde auch eine Faszination aus. Böni gab auch zu bedenken, dass "die Fremden" auch unter sich unterschiedlich seien, dass es "den Fremden" per se nicht gebe. Er resümierte, dass auch das Eigene und Bekannte einem manchmal fremd werden könne.
Im anschliessenden Werkkreis gingen die Teilnehmenden unter der Leitung von Brigitte Heitger selbsterfahrerisch der Frage nach, wie wir Anderes und Fremdes erleben. In einem ersten Schritt wurden die Begriffe enger gefasst und von einander abgegrenzt. Das "Andere" ist für uns einfühlbar, verständlich und eher mit Interesse oder Neugierde verbunden, während das "Fremde" weniger gut einschätzbar und weniger verständlich ist, was Irritation oder Angst auslösen kann. In einem zweiten Schritt ging es darum, sich mit dem eigenen Umgang mit dem Fremden auseinanderzusetzen. Anderes und Fremdes ziehen Aufmerksamkeit auf sich, was uns die Chance gibt, uns sorgfältig dem Unbekannten zuzuwenden - oder uns abzugrenzen. Denn Fremdes kann eine Überforderung darstellen. Im besten Fall kann es aber eine Bereicherung sein.
Nach einem fremdländischen Mittagessen lud der Pfarrer Ulrich Dällenbach die Teilnehmenden zum phänomenologischen Entdecken biblischer Texte ein. Er forderte das Plenum auf, sich in Charaktere aus der Geschichte von Ruth einzufühlen und den jeweiligen Gedanken und Gefühlen in Bezug auf Fremdheit und Anderssein freien Lauf zu lassen.
Für interessierte Aussenstehende bot Dr. med. Rodolphe Leuenberger zudem eine Einführung in die Existenzanalyse an.
Franziska Linder

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